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»FREUNDE, DAS STIMMT NICHT.«


Malte Roeper: Bergsteiger und Journalist.

Wenn Klettern für Dich mehr ist als das aktuelle 8a.nu-Ranking und der neueste Parcours im Boulderpuff um die Ecke, MUSST Du Malte Roeper (Jahrgang 1962) kennen. Malte hat erstens eine nicht zu verachtende alpinistische Vita mit solchen Kapiteln wie der ersten deutsche Solobegehung der Eigernordwand. Zweitens ist er ein begnadeter Autor, der den Leser gerne daran erinnert, dass Klettern auch ein klitzekleines bißchen was mit Subkultur zu tun hat. Sein Buch »Auf Abwegen« ist Pflichtlektüre für jeden, der nicht nur wegen seines Sixpacks in den Überhang steigt. Und drittens ist er einfach ein sehr wacher Geist, der Filme fürs Fernsehen und Kino produziert, das Klettern liebt und sich für Ehrlichkeit im Bergsport und in der Welt einsetzt. Zum Beispiel recherchierte er zum Schaumschläger Tomo Cesen, der Anfang der 90er Jahre mit unglaublichen Begehungen Zweifel auf sich zog. Ich traf ihn auf der ISPO und war natürlich scharf auf seine Meinung in Bezug auf aktuelle Vorfälle, wie den mit Said Belhaj, im Berchschpocht.




Macht das Gehirn schneller: Kaffee.


Hannes: Malte, wie trinkst Du am liebsten Deinen Kaffee?


Malte: Ein Kaffee muß sein wie das Leben selbst: Bitter! Nee, Schmarrn, ich trink ihn gern als Espresso oder Cappuccino.


Hannes: Ist Deine Bergsteigerkarriere für Dich eigentlich abgeschlossen? Du hast ja schon große und bedeutsame Begehungen gemacht, zum Beispiel die erste Solo-Begehung der Eiger-Nordwand im Winter, oder?


Malte: Nee, ich war einfach nur der erste Deutsche, der die Wand allein gemacht hat. Im Sommer.


Hannes (peinlich berührt): Aaaah ....


Malte: Damals, 1988, waren achteinhalb Stunden dafür auch noch relativ schnell. Aber das ist natürlich lange her. Ich habe jetzt überhaupt keine Lust mehr irgendwelche extremen Sachen zu machen, die in irgendeiner Form wirklich gefährlich wären oder die mich wirklich an meine Grenzen bringen. Grenzen sind auch immer seelisch ein wenig schmerzhaft und da mag ich nicht mehr hin. Aber ich bin mittlerweile wieder so gut in Form, dass ich überraschenderweise Lust habe wieder große Bergtouren zu machen. Und ich mache einen Imagefilm über den DAV-Expeditionskader, wo wir im Winter am Jubiläumsgrad unterwegs sein müssen und da hab ich schon ziemlich Bock drauf.


Hannes: Cool, voll dabei.


Malte: Eher wieder dabei. Aber ich hab' wirklich keine Lust mein altes Level wieder zu erreichen. Das ist nicht zu schaffen und wäre mir sowohl zu anstrengend als auch zu gefährlich. Ich will genießen, ich bin einfach gerne draußen.


Hannes: Wie gefährlich ist es am Berg schon für Dich geworden?


Malte: Es gab schon eine Reihe von Situationen, wo die Münze in der Luft war und die Frage lautete: Kopf oder Zahl. Und ich hab meistens Glück gehabt. Ein Psychologe hat mir allerdings auch mal gesagt, dass - wenn ich so oft knapp dran war und immer davon gekommen bin - es wohl zum größeren Teil doch Können gewesen ist, was mich rettete. Und wahrscheinlich hat er Recht, auch wenn's ein bißchen eitel klingt. Und wahrscheinlich war ich auch mit den richtigen Leuten unterwegs. Ich war nie mit großen Chaoten am Berg. Im Privatleben großes Chaos, aber am Berg war's schon einigermaßen strukturiert.


Hannes: Ich habe von Dir einen Artikel im Zeit-Online-Archiv gelesen, der ist von 1993 oder so. Der Artikel ist über den Bergsteiger Tomo Cesen und es geht um Dinge, die er behauptet hat gemacht zu haben, die aber womöglich so nicht zutreffen. Würdest Du sagen, dass es sowas schon immer gegeben hat oder gab es womöglich eine Zeit, in der sich mehr solcher Dinge eingeschlichen haben? Weil sich womöglich der Bergsport an sich verändert hat.


Malte: Ich glaube, dass es auch früher schon Leute gegeben hat, die aufgeschnitten, angegeben oder übertrieben haben, aber seit mehr Geld und mehr Aufmerksamkeit da ist, ist es natürlich viel lohnender irgendeinen Quatsch zu erzählen. Und das hat selbstverständlich zugenommen, auf jeden Fall. Und beim Tomo Cesen war es so, dass die Geschichte ganz sicher nicht gestimmt hat. Aber ich war damals noch zu sehr gefangen in dieser Bergkameradenschiene, um noch deutlicher zu sagen, dass das nicht gestimmt hat. Am Ende der Tomo Cesen Sache, damals in der Zeit, war übrigens die Geschichte von einem jungen Kletterer, der behauptet die Action Directe geklettert zu haben. Das war aber dermaßen undurchsichtig, dass die Zeitschrift »rotpunkt« das nicht mehr publiziert hat. Was uns zum Heute bringt, wo es das ja offensichtlich wieder gegeben hat.


Hannes: Eben, das ist nämlich meine Frage an Dich: Wie kann man denn als Journalist seine Zweifel äußern ohne plump Rufmord zu betreiben?


Malte: Die Zweifel zu äußern und zu benennen gehört unbedingt zur journalistischen Sorgfaltspflicht. Gerade jeder, der die spezielle und leicht abgeschottete Welt des Bergsports liebt, wo man so eine gewisse Bruderschaft pflegt, der muß das eigentlich machen. Weil ja gerade Unwahrheiten diese Welt schädigen. Gerade jetzt, mit deutlich mehr Geld im Umlauf, gehört es unbedingt im Bergsport-Journalismus dazu, dass man pointierter sagt »Freunde, das stimmt nicht«. Oder das man sagt: »Das ist zwar eine große Schlagzeile gewesen, es war aber in Wirklichkeit gar nicht so toll.« Das muß man unbedingt publizieren, das ist ganz ganz wichtig.


Hannes: Weil mir wurde ja teilweise im Fall von Said Belhaj vorgeworfen, dass ich die »ethics of sport climbing undermine«, in dem ich halt die reine Vertrauensnummer anzweifele. Das schien die meisten Kritiker daran zu stören, etwa in der Art: »Unsere heile Welt des Kletterns ist die letzte heile Welt, die es noch gibt auf die diesem Planeten. Und jetzt kommt der Hannes und sagt, dass es auch dort Lug und Trug gibt. Das ist doch ganz ganz gemein.«


Malte: Das ist die gleiche verlogene und völlig abwegige Argumentation von den großen Sportverbänden, die dagegen sind, dass Investigativ-Journalisten wie von der ARD die Dopingskandale von Sotschi oder im Fußball aufdecken. Das ist eine völlig falsche und verquere Denkart. Da wo gelogen wird, muß es benannt werden.


Hannes: Das Schwierige beim Klettern ist halt jemanden zu beweisen, dass er etwas nicht getan hat. Es ist leichter jemanden zu beweisen, dass er etwas getan hat. Bei der Action Directe hätte ich über Wochen in den Büschen hocken müssen, um die Route zu überwachen. Bei mir waren es eher die vielen offenen Fragen, die mich in der Summe zu dem Schluß brachten, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass es sich so zugetragen hat, wie es Said Belhaj darstellt. Natürlich wollte ich keinen Rufmord betreiben, andererseits klang das alles so unwahrscheinlich und fantastisch, dass ich mir dachte, dass ich mal nachfragen darf. Und dies sehen halt einige Leute anders, auch von den Sponsoren.


Malte: Die Schwierigkeit ist ja gerade die, dass Du so wahnsinnig leicht lügen kannst beim Klettern. Im Prinzip sind wir ein Sport ohne Zuschauer. Das wird oft zeitverzögert hergestellt durch Fotos und Videos, aber im Prinzip ist keiner dabei. Beim Fußball kann keiner behaupten, dass er drei Tore geschossen hat, wenn er's nicht gemacht hat, weil das Stadion voll ist. Die sehen's ja alle! Am Berg kannst Du alles mögliche behaupten. Darum ist das Wort eines Kletterers so wahnsinnig wichtig. Und deswegen ist es bei berechtigten Zweifeln so wichtig gleich reinzugrätschen und zu sagen »Du hast gelogen«. Und man muß es eigentlich noch deutlicher machen als in der Vergangenheit. Unbedingt. Weil die Schädigenden sind nicht die, die es aufdecken. Die Schädigenden sind die, die es machen, die lügen.


Hannes: Nur ist es schon immer so, dass der Überbringer der schlechten Nachricht als Erster gekillt wird.


Malte: Das war schon immer eine verquere Einstellung. Das Rückgrat muß man halt haben.


Hannes: Jetzt wird ja gerade diskutiert, ob das so weiterläuft. Oder ob ein Videobeweis her muß, um ein Back Up für eine Leistung zu haben.


Malte: In den meisten Fällen ist es doch schon so, dass die Leute Ihr Smartphone hinstellen. Das hat ja schon Alex Huber ganz früher gemacht. Er hat irgendeine Amateurkamera hingestellt für den Fall, dass ihm irgendwer sein Solo nicht glaubt. Und vor allem ist es so einfach eine vernünftige Geschichte zu erzählen, eins und eins ist zwei. Und wenn Du das nicht zusammenbringst über eine Begehung, über eine Durchsteigung – wenn Du da die drei erforderlichen Fakten nicht zusammenbringst, dann stimmt's einfach nicht. Natürlich ist das blöd, dass Du heute unter Beweiszwang stehst, aber wenn Du wirklich glaubwürdig bist und schon vieles gemacht hast, dann zählt Dein Wort ja auch. Aber wenn jemand wie Said Belhaj nur solche Nummern mit »random belayers« und ohne sonstige Zeugen gemacht hat, dann hat er eben keinen guten Ruf. Bei Güllich wurde das damals auch ganz kurz angezweifelt, aber die Zweifel waren sehr schnell vorbei. Weil es eben Wolfgang Güllich war.


Hannes: Oder sollte man sagen ohne Videobeweis gibt's keine Profikarriere? Weil ist es nicht immer noch ein Unterschied, ob ich für Geld oder vor meinen Freunden lüge?

Malte: Ich finde nicht, dass es einen großen Unterschied geben sollte. Eine Lüge ist eine Lüge. Wenn Du für Geld lügst, ist es vielleicht schändlicher. Aber wenn Du privat lügst, ist es auch nicht in Ordnung. Weil Du eben die Leistung der anderen durch Deine Lüge abwertest. Eine Lüge ist eine Lüge und da muß man das auch beim Namen nennen.


Hannes: Deine finale Botschaft an die Leser?


Malte: Geht klettern! Und vergesst nicht Alex Lowes' Worte: »The best climber in the world is the one having the most fun.«


Jede Sache hat drei Seiten: Eine gute, eine schlechte und eine komische.





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